Die Digitalisierung und nicht zuletzt die Erfahrungen der letzten Jahre haben das Homeoffice für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu einem festen Bestandteil des Arbeitslebens gemacht. Doch mit der räumlichen und zeitlichen Entgrenzung der Arbeit stellen sich auch neue rechtliche Fragen. Dieser Beitrag beleuchtet die aktuellen gesetzlichen Regelungen und ihre praktische Umsetzung in Deutschland, um Ihnen als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber mehr Rechtssicherheit in der modernen Arbeitswelt zu geben. Wir gehen auf zentrale Aspekte ein, von den verschiedenen Formen der Fernarbeit bis hin zu wichtigen Regelungen bei Arbeitszeit, Datenschutz und Arbeitsschutz.
Was genau bedeutet Homeoffice im rechtlichen Sinne?
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Begriffe wie Homeoffice, mobiles Arbeiten und Telearbeit oft synonym verwendet. Rechtlich gibt es jedoch Unterschiede, die insbesondere Auswirkungen auf den Arbeitsschutz haben. Eine eindeutige gesetzliche Definition für “Homeoffice” fehlt bisher. Üblicherweise versteht man darunter das Arbeiten von zu Hause aus, sei es gelegentlich oder regelmäßig. Dies kann im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, aber auch in freier Mitarbeit oder Heimarbeit geschehen.
Die Abgrenzung zur mobilen Arbeit ist fließend, wobei mobiles Arbeiten oft größere Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes ermöglicht. Telearbeit hingegen ist im Gegensatz zum Homeoffice klarer definiert und beschreibt vom Arbeitgeber eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze in der Privatwohnung des Arbeitnehmers. Auch wenn der Begriff Homeoffice umgangssprachlich dominant ist, ist es für die rechtliche Einordnung entscheidend, welche Form der Fernarbeit konkret vorliegt, um die relevanten Vorschriften korrekt anzuwenden.
Anspruch auf Homeoffice: Ja oder Nein?
Derzeit existiert in Deutschland kein gesetzlich verankertes Recht für Arbeitnehmer auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz. Ob ein Arbeitnehmer von zu Hause arbeiten darf, liegt grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers. Ein Anspruch auf Homeoffice kann sich jedoch aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem individuellen Arbeitsvertrag ergeben.
Interessanterweise kann der Arbeitgeber eine Tätigkeit im Homeoffice auch nicht einseitig anordnen oder gar erzwingen, wenn keine entsprechende Vereinbarung besteht. Angesichts des grundgesetzlich geschützten Grundrechts auf Unversehrtheit der Wohnung ist eine solche Verpflichtung des Arbeitnehmers nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar, etwa zur Abwendung eines unverhältnismäßig großen Schadens. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) arbeitet zwar an einem Gesetzentwurf, der ein Recht auf Homeoffice einführen soll, aktuell handelt es sich dabei jedoch noch nicht um geltendes Recht.
Die Homeoffice-Vereinbarung: Eine Grundlage für klares Arbeitsrecht
Da kein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice besteht und der Arbeitgeber es nicht einseitig anordnen kann, ist eine vertragliche Grundlage notwendig, um Homeoffice-Vereinbarungen verbindlich zu regeln und Grauzonen zu vermeiden. Sofern Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung keine Regelungen zum Homeoffice enthalten, empfiehlt sich der Abschluss eines Zusatzes zum Arbeitsvertrag. In dieser Vereinbarung sollten die wesentlichen Details der Homeoffice-Tätigkeit festgehalten werden. Eine solche Vereinbarung schafft Rechtssicherheit für beide Seiten und beugt potenziellen Konflikten vor. Es ist auch möglich, dass ein Arbeitnehmer stillschweigend zustimmt, indem er beispielsweise die notwendige Arbeitsausstattung entgegennimmt und die Arbeit von zu Hause aufnimmt.
Eine umfassende Homeoffice-Vereinbarung sollte folgende Punkte regeln:
Arbeitsort
Auch wenn “Homeoffice” nahelegt, dass zu Hause gearbeitet wird, sollte der genaue Arbeitsort klar definiert werden, insbesondere wenn es keine feste Betriebsstätte gibt. Ohne vertragliche Regelung hat der Arbeitgeber grundsätzlich das Recht, den Arbeitsort im Rahmen seines Direktionsrechts festzulegen. Oft wird der Arbeitgeber den Wohnsitz als Arbeitsort festlegen und gleichzeitig eine Klausel für mögliche Versetzungen aufnehmen.
Arbeitszeit
Auch im Homeoffice gelten die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer auch von zu Hause aus die gesetzlichen Regelungen zu Höchstarbeitszeit, Pausen, Ruhezeiten sowie das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit einhalten müssen. Arbeitgeber sind angehalten, auf die Einhaltung dieser Vorschriften hinzuweisen und ein System zur Zeiterfassung zu implementieren. Arbeitnehmer können verpflichtet werden, ihre tägliche Arbeitszeit aufzuzeichnen und diese auf Verlangen vorzulegen. Dies dient dem Schutz des Arbeitnehmers und der Nachvollziehbarkeit für den Arbeitgeber und die Aufsichtsbehörden.
Arbeitsmittel und Kosten
Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung des Homeoffice-Arbeitsplatzes, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Dazu gehören beispielsweise Kosten für Büromöbel, Kommunikationsmittel, Heizung und Strom, sowie ein Anteil der Raummiete. Arbeitnehmer haben Anspruch auf Aufwendungsersatz. Es ist ratsam, die private Nutzung betrieblicher Arbeitsmittel auszuschließen. Auch die Nutzung privater Geräte der Arbeitnehmer für berufliche Zwecke (Bring Your Own Device – BYOD) birgt datenschutzrechtliche Risiken und sollte klar geregelt werden.
Zutrittsrecht des Arbeitgebers
Ein besonders sensibler Punkt bei Homeoffice-Regelungen ist ein mögliches Zutrittsrecht des Arbeitgebers zur Privatwohnung des Arbeitnehmers. Grundsätzlich genießt die Wohnung durch Artikel 13 des Grundgesetzes einen hohen Schutzstatus (Unverletzlichkeit der Wohnung). Ein Betreten durch den Arbeitgeber ist daher nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitnehmers zulässig.
Da der Arbeitgeber jedoch auch im Homeoffice gesetzliche Pflichten hat (insbesondere im Bereich Arbeitsschutz gemäß Arbeitsschutzgesetz) und ein berechtigtes Interesse an der Überprüfung oder Wartung von überlassenen Arbeitsmitteln haben kann, empfiehlt es sich, in der Homeoffice-Vereinbarung eine klare und eng begrenzte Regelung zum Zutrittsrecht zu treffen.
Eine solche Klausel muss die Bedingungen für einen Zutritt genau festlegen: Sie sollte vorsehen, dass ein Zutritt nur
- aus einem konkreten, sachlichen Grund (z.B. vereinbarte Arbeitsschutzbegehung, technische Wartung),
- nach rechtzeitiger vorheriger Ankündigung (üblich sind z.B. 24-48 Stunden),
- während der üblichen Arbeitszeiten und
- beschränkt auf den unmittelbaren Arbeitsbereich (z.B. das Arbeitszimmer oder die Arbeitsecke) erfolgen darf. Ein anlassloses oder unangekündigtes Betreten ist unzulässig.
Sollte der Arbeitnehmer trotz einer solchen zulässigen, klar definierten und vereinbarten Regelung den Zutritt ohne einen triftigen Grund (wie z.B. Krankheit oder einen unaufschiebbaren privaten Termin) verweigern, kann dies als Verstoß gegen die Homeoffice-Vereinbarung gewertet werden. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber unter Umständen berechtigt sein, die Erlaubnis zur Tätigkeit im Homeoffice zu widerrufen oder im Rahmen einer Änderungskündigung aufzuheben, sodass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit wieder im Betrieb aufnehmen muss. Eine Kündigung des gesamten Arbeitsverhältnisses wäre hierfür jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar.
Was passiert, wenn die Homeoffice-Vereinbarung endet oder eine Seite sie beenden möchte? Nicht immer läuft dies einvernehmlich. Sieht der Arbeitgeber sich gezwungen eine Änderungskündigung auszusprechen oder kommt es gar zu einer Beendigungskündigung im Zusammenhang mit der Homeoffice-Tätigkeit, stellt sich oft die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen. In manchen Fällen kann hier auch eine Abfindung eine Rolle spielen, insbesondere wenn ein Aufhebungsvertrag zur Diskussion steht. Mehr zu den Voraussetzungen und der Höhe einer möglichen Abfindung erfahren Sie hier (oder hier, für Expats).
Übrigens, wichtig zu wissen für Arbeitgeber: Leistungsschwankungen oder nachlassende Produktivität im Homeoffice können verschiedene Ursachen haben. Neben organisatorischen Aspekten können auch gesundheitliche Gründe, wie eine psychische Erkrankung (z.B. Depression), dahinterstecken. Eine offene Kommunikation von beiden Seiten ist hier wichtig. Wird eine Depression diagnostiziert und führt sie zu dauerhaften Leistungseinbußen, die auch durch Anpassungen des Arbeitsplatzes nicht behoben werden können, stellt sich manchmal die Frage nach der Weiterbeschäftigung. Dieses Thema beleuchten wir in unserem Artikel “Kündigung wegen Depression”.
Datenschutz im Homeoffice: Eine besondere Herausforderung
Die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen ist auch im Homeoffice unerlässlich. Der Arbeitgeber trägt als Verantwortlicher im Sinne der DSGVO die Pflicht, die rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten sicherzustellen. Dies erfordert geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um den unbefugten Zugriff auf Daten und IT-Systeme im Homeoffice zu verhindern.
Spezifische Anforderungen an den Datenschutz im Homeoffice können ebenfalls im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Zum Schutz betrieblicher Geschäftsgeheimnisse empfiehlt sich zudem eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag. Arbeitnehmer sollten für den sicheren Umgang mit Daten sensibilisiert und entsprechend geschult werden.
Arbeitsschutz und Versicherungsschutz: Sicherheit auch außerhalb des Büros
Im Homeoffice gelten grundsätzlich dieselben Arbeitsschutzvorschriften wie für Arbeitsplätze im Betrieb. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht und muss für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgen. Die konkreten Schutzmaßnahmen ergeben sich aus Gesetzen wie dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG).
Auch für den Homeoffice-Arbeitsplatz ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um Risiken zu erkennen und Schutzmaßnahmen festzulegen. In der Praxis geschieht dies oft mithilfe von Checklisten oder Fragebögen unter Mitwirkung des Arbeitnehmers. Dieser ist seinerseits verpflichtet, die Vorgaben des Arbeitgebers zur Sicherheit und Gesundheit umzusetzen und bereitgestellte Arbeitsmittel ordnungsgemäß zu verwenden.
Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Homeoffice ein komplexes Thema. Grundsätzlich sind Unfälle versichert, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen. Die Abgrenzung zwischen beruflichem und privatem Bereich kann im Homeoffice jedoch schwierig sein. Ein Sturz auf dem Weg zum Drucker im Arbeitszimmer kann anders bewertet werden als ein Sturz auf dem Weg zur privaten Küche. Eine rechtlich verbindliche Bewertung hängt stets von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Dies gilt auch für Gesundheitsgefährdungen, die zu Berufskrankheiten führen könnten.
Fazit
Das Homeoffice bietet viele Vorteile, bringt aber auch spezifische rechtliche Herausforderungen mit sich. Eine klare vertragliche Regelung ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen wichtig, um Rechte und Pflichten festzulegen und Rechtssicherheit im Homeoffice zu schaffen. Insbesondere die Bereiche Arbeitszeit, Arbeitsmittel, Datenschutz und Arbeitsschutz erfordern sorgfältige Beachtung. Indem Sie sich mit den relevanten gesetzlichen Grundlagen und den potenziellen Fallstricken auseinandersetzen, können Sie das Homeoffice erfolgreich und rechtssicher gestalten. Für weiterführende Unterstützung ist es ratsam, professionelle Hilfe bei einem spezialisierten Anwalt für Arbeitsrecht zu suchen.