Was bedeutet die Insolvenz für Arbeitnehmer:innen des betroffenen Betriebs und wie geht es weiter? Hierzu ein Überblick über die wichtigsten Fragen und worauf Arbeitnehmer:innen im Fall einer Insolvenz achten müssen.
1. Kündigung wegen Insolvenz – geht das?
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein verändert den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht. Ein Grund zur Kündigung ist die Insolvenz aus sich heraus nicht. Aber die Eröffnung der Insolvenzverfahrens ein deutliches Zeichen, dass Veränderungen im Betrieb anstehen.
Es folgen oftmals Produktionsstopp, Restrukturierung und im schlimmsten Fall sogar Betriebsstillegungen. Diese Umstände sind in der Regel die Basis für einen Personalabbau sein. Im Falle des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen müssen Arbeitgeber:innen oder Insolvenzverwalter:innen detailliert darlegen, aus welchem Grund der Arbeitsplatz wegfällt und dass dieser Wegfall dauerhaft ist. Sie müssen also u.a. belegen, dass Arbeitnehmer:innen auch in Zukunft von diesem Wegfall betroffen sind und nicht nur vorübergehend. Auch die weiteren Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung gelten im Insolvenzverfahren fort.
2. Wichtig ist, WER die Kündigung erklärt!
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet und tritt ein/e Insolvenzverwalter:in ein, hat dies zur Folge, dass ab diesem Zeitpunkt, nur noch der/die Insolvenzverwalter:in eine Kündigung wirksam erklären kann. Erklärungen durch Arbeitgeber:innen haben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grds. keine Wirksamkeit mehr. Oftmals setzen Insolvenzverwalter:innen auch Dritte ein, zum Beispiel Rechtsanwält:innen. Eine Kündigung durch eine solche dritte Person des/der Insolvenzverwalter:in bedarf einer Vollmachtsurkunde im Original. Ansonsten ist eine ohne Vollmacht durch Dritte ausgesprochene Kündigung nach § 174 BGB unverzüglich zurückzuweisen.
3. Achtung – Die Kündigungsfrist kann verkürzt werden!
Eine weitere Änderung im Zusammenhang mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht bei der Kündigungsfrist. Hier tritt nach § 113 Abs. 1 S. 2 InsO (Insolvenzordnung) eine Kündigungsfrist von drei Monaten an die Stelle der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist. Beträgt die vertragliche Kündigungsfrist weniger als drei Monate, bleibt es bei der vertraglich vereinbarten kürzeren Frist. Auch befristete Arbeitsverhältnisse, die normalerweise nicht ordentlich kündbar sind, können Insolvenzverwalter:innen mit dreimonatiger Frist kündigen. Machen Insolvenzverwalter:innen von diesem Recht zur Kündigung unter verkürzter Frist Gebrauch, löst das Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer:innen aus, die als Insolvenzforderung geltend zu machen sind. Der Schadensersatzanspruch umfasst den Verdienstausfalls bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist.
Anders ist es, wenn der Sonderkündigungsschutz greift. Hier kann keine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden.
4. Lohn oder Insolvenzgeld?
Trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht die Pflicht zur Lohnzahlung unverändert fort. Oft ist es jedoch so, dass Arbeitgeber:innen bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen oder nur einen Teillohn gezahlt haben. In diesen Fällen haben Arbeitnehmer:innen einen Anspruch auf Insolvenzgeld. Die Agentur für Arbeit zahlt das Insolvenzgeld rückwirkend für Entgeltausfälle bis zu drei Monate vor dem Insolvenzereignis. Arbeitnehmer:innen müssen das Insolvenzgeld bei der Agentur für Arbeit beantragen.
Ein Insolvenzereignis ist nicht erst mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens anzunehmen, sondern auch dann, wenn Arbeitgeber:innen den Betrieb schlicht nicht mehr weiterführen oder anderweitig festgestellt wurde, dass eine Überschuldung des Unternehmens vorliegt. Im Übrigen sind Arbeitnehmer:innen bei erheblichen Zahlungsrückständen des/der Arbeitgeber:in nicht mehr verpflichtet Ihre Arbeitsleistung zu erbringen, bis diese Rückstände nicht beglichen sind. Erheblich sind Rückstände nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls dann, wenn sie zwei Monatsgehälter übersteigen. Einen Anspruch auf Vergütung haben Arbeitnehmer:innen auch wenn Sie Ihre Arbeitsleistung berechtigterweise vorerst nicht erbringen.
Jede:r Arbeitnehmer:in, der/die in Lohnabhängigkeit des/der Arbeitgeber:in stand, kann Insolvenzgeld beantragen. Es wird jedoch nur einmalig gezahlt. Das heißt, Arbeitnehmer:innen erhalten einmalig den ausstehenden Nettolohn für die letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis. Die gute Nachricht ist: Hierbei sind grundsätzlich auch Provisionen, Weihnachtsgeld und andere Lohnbestandteile berücksichtigt, die im Insolvenzzeitraum fällig geworden sind.
5. Abfindung retten!
Bei aufkommenden wirtschaftlichen Problemen im Unternehmen haben Arbeitgeber:innen regelmäßig ein Interesse daran, die Personalkosten zu verringern. Bei bestehendem Kündigungsschutz, ist die Beendigung von Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres möglich. In der Praxis streben Arbeitgeber:innen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Aufhebungsvertrages an. Für Arbeitnehmer:innen ist dabei wichtig, die vereinbarte Abfindung aus einem solchen Aufhebungsvertrag zu sichern. Kommt es dennoch im weiteren Verlauf zur Insolvenzeröffnung, ist die Abfindung nicht mehr als eine von vielen Insolvenzforderungen. Forderungen, die vor der Insolvenz entstanden sind, sind im Rahmen des Insolvenzverfahrens nach Quote zu bedienen. Das heißt, es wird oft nur ein geringer Teil oder sogar nichts mehr von der Insolvenzforderung ausgezahlt. Daher ist es ratsam, eine solche Abfindung „insolvenzfest“ zu machen. Gerne beraten wir Sie hierzu. Dies gilt auch für Abfindungsansprüche, die im Rahmen gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleiche vor Insolvenz verhandelt werden.