Das Arbeitsrecht ist ein komplexes Feld, in dem sich hartnäckig einige Mythen halten. Wir räumen mit falschen Vorstellungen auf und zeigen, was bei wichtigen Themen wie Urlaubsanspruch, Kündigung und Abfindung wirklich gilt.
1. Abfindung: Kein Automatismus
Nicht jeder Arbeitnehmer hat bei Kündigung Anspruch auf eine Abfindung. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Eine Abfindung kann in einem Sozialplan, Arbeits-, Tarif- oder Aufhebungsvertrag vereinbart sein – oder sich aus einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht ergeben.
Eine Besonderheit gilt bei betriebsbedingten Kündigungen: Wenn der Arbeitgeber in der Kündigung darauf hinweist, dass die Kündigung betriebsbedingt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist eine Abfindung erhält, entsteht ein Anspruch. Die Höhe dieser Abfindung ist gesetzlich geregelt und beträgt in der Regel 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr.
2. Urlaubsanspruch: Nicht unbegrenzt in der Elternzeit
Viele glauben, dass der Urlaubsanspruch während des Mutterschutzes und der Elternzeit uneingeschränkt bestehen bleibt. Das stimmt so nicht ganz. Während der Mutterschutzfristen (sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt) bleibt der Urlaubsanspruch in der Tat bestehen.
Anders sieht es in der Elternzeit aus: Hier hat der Arbeitgeber das Recht, den jährlichen Urlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Wenn man also ein Jahr Elternzeit nimmt, kann der komplette Erholungsurlaub für dieses Jahr verloren gehen.
3. Überstunden: Mehrarbeit mit Regeln
Im Arbeitsvertrag werden die Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses festgelegt – unter anderem die Arbeitszeit. Fehlt eine Regelung zu Überstunden, dürfen Arbeitgeber diese nicht ohne Weiteres anordnen. Arbeitnehmer sind also grundsätzlich nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten.
Anders sieht es aus, wenn ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung Überstunden vorsieht. Dann dürfen diese die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Grenzen nicht überschreiten. Dies beinhaltet auch die Einhaltung von Ruhepausen (mindestens 30 Minuten bei mehr als sechs Stunden Arbeit) und Ruhezeiten (mindestens elf Stunden zwischen den Arbeitsschichten). Unzulässig sind auch allgemeine Formulierungen, dass alle Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten sind. Überstunden müssen entweder über das Gehalt oder mit Freizeitausgleich vergütet werden. Zudem ist die Sonn- und Feiertagsarbeit grundsätzlich verboten, mit Ausnahmen für bestimmte Branchen. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Regelungen dazu dienen, die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu schützen und eine angemessene Work-Life-Balance zu gewährleisten.
4. Kündigung: Das richtige Format und der richtige Zeitpunkt
„Ich kündige dir!“ – So einfach ist es nicht. Eine Kündigung muss bestimmte formale Kriterien erfüllen, um wirksam zu sein. Dazu gehört die Schriftform (§ 623 BGB), die zuletzt deutlich erleichtert wurde. Zwar ist die klassische Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift auf Papier nach wie vor gültig, aber nunmehr reicht in den meisten Fällen auch die Textform aus. Das bedeutet, dass eine Kündigung per E-Mail, SMS oder Messenger-Dienste wirksam sein kann.
Ausnahmen:
- Für Branchen, die dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz unterliegen (z.B. Baugewerbe, Gaststättengewerbe), gilt weiterhin die strengere Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift.
- Befristete Arbeitsverträge: Für befristete Arbeitsverträge gilt weiterhin die strengere Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift (§ 14 Abs. 4 TzBfG).
5. Einstellungsgespräch: Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit?
Im Bewerbungsgespräch möchte jeder glänzen. Um sich ins rechte Licht zu rücken, werden daher gerne kleine Notlügen eingesetzt. Doch Vorsicht: Bei Fragen zu berufsrelevanten Anforderungen wie Erfahrung, Kenntnissen und Verfügbarkeit ist Ehrlichkeit geboten.
Anders sieht es bei persönlichen Fragen aus, etwa nach Familienplanung, Schwangerschaft, Religion oder sexueller Orientierung. Diese sind unzulässig und dürfen daher falsch beantwortet werden.
Auch nach Vorstrafen darf der Arbeitgeber nur fragen, wenn diese für die Tätigkeit relevant sind. Als Vorstrafe gilt nur, was aktuell im Bundeszentralregister eingetragen ist.
Kommt nach der Einstellung heraus, dass bei zulässigen Fragen gelogen wurde, riskiert man die Kündigung.
Fazit:
Das Arbeitsrecht ist komplex und voller Fallstricke. Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, sollten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber gut informieren. Im Zweifel ist es ratsam, rechtlichen Rat von einem spezialisierten Anwalt für Arbeitsrecht einzuholen. Wir bieten auch englischsprachige Beratung an.