Akteneinsicht als Geschädigter – Grundsätze der Strafprozessordnung
In § 406 e Abs. 1 der Strafprozessordnung ist festgehalten, dass nicht nur die Beschuldigten, sondern auch Geschädigte das Recht auf Akteneinsicht haben. Dieses Recht ist aber keine Pflicht der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts. Die Akteneinsicht kann unter bestimmten Umständen verwehrt werden.
Wahrnehmung der Interessen – Akteneinsicht in Strafverfahren
Wer eine Straftat begeht, schädigt dabei in aller Regel andere. Diese Geschädigten, unabhängig davon, ob sie Privatpersonen oder Unternehmen sind, der Schaden immaterieller oder materieller Natur, haben das Recht, ihre Interessen bestmöglich wahrzunehmen. Nur so ist in vielen Fällen gewährleistet, dass ein entstandener Nachteil in seinem ganzen Umfang erfasst werden kann. Allerdings sind auch die gesetzlich festgeschriebenen Schutzrechte des Straftäters zu berücksichtigen. Deshalb werden beide Interessen gegeneinander abgewogen, wenn die Geschädigten selbst oder ihre Rechtsvertretung um Akteneinsicht bitten.
Darlegung des Interesses und Herausgabe der Strafakten
Akteneinsicht erhält grundsätzlich nur, wer ein wirklich berechtigtes Interesse am Akteninhalt, also am Stand der Ermittlungen, den erhobenen Vorwürfen wie auch den vorliegenden Beweismitteln, haben kann. Diese Gründe sind bei der Bitte um Akteneinsicht darzulegen. Berechtigt können beispielsweise Unternehmen sein, die durch Manipulationen des Beschuldigten um hohe Summen gebracht wurden. Bei Privatpersonen haben all diejenigen das Recht auf Akteneinsicht, die durch die Tat verletzt oder materiell geschädigt wurden. Das Recht gilt selbstverständlich auch für die Rechtsanwälte der Unternehmen oder Privatpersonen, die für ihre Mandanten um Akteneinsicht bitten.
Ein möglicher Grund wäre z.B., dass man bei der Versicherung des Täters Schadensersatzansprüche geltend machen will.
Die zu diesem Zeitpunkt zuständige Behörde – bis zum Abschluss der Ermittlungen die Staatsanwaltschaft, danach das Gericht – entscheiden nach der Sachlage und im pflichtgemäßen Ermessen darüber, ob die Akte generell und ganz oder teilweise zur Einsicht überlassen wird. Eine Verweigerung ist durchaus möglich, wenn die Interessen des Beschuldigten oder anderer in das Verfahren involvierter Personen überwiegen. Dies ist in § 406 e Abs. 2 StPO explizit festgehalten.
Dass Akteneinsicht jedoch verwehrt wird, kommt in der Praxis nur in Ausnahmefällen vor. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn durch die Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch die Geschädigten nicht im Sinne des Gesetzes gehandelt haben.
Rechtliches Gehör des Beschuldigten
Weiterhin ist es denkbar, dass Akten erst dann herausgegeben werden, wenn dem Beschuldigten rechtliches Gehör gewährt wurde. Die Grundrechte eines potenziellen Straftäters sind ebenso zu wahren wie die der Geschädigten. Würde sein Persönlichkeitsrecht durch die Herausgabe der Akten wesentlich beeinträchtigt, hat er Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht getroffen, damit die Gleichbehandlung aller Bürger gewährleistet ist. Der Beschuldigte selbst kann zur Aktenherausgabe Stellung beziehen oder seine Einwände durch seinen Anwalt vorbringen lassen.
Rechtliche Konsequenzen für Interessensvertreter
Nicht immer sind die Gründe, warum tatsächlich oder vermeintlich Geschädigte Akten einsehen wollen, wirklich ehrbar. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Personen vom Sachstand Kenntnis erlangen wollen, die später als Zeuge auftreten. Hier würde jedoch eine Akteneinsicht unter Umständen die Objektivität beeinträchtigen oder gar den Boden für eine Absprache mit anderen Zeugen bereiten. Dies könnte etwa der Fall sein, um eine Mitwisserschaft oder Mittäterschaft zu verschleiern oder um aus persönlichen Gründen durch bewusste Falschaussagen eine höhere Strafe für den Beschuldigten zu erreichen.
Damit ein solches Vorgehen ausgeschlossen werden kann, können sowohl Beschuldigte als auch ihre Rechtsvertretung frühzeitig den Antrag stellen, dass Akteneinsicht nur nach rechtlichem Gehör gewährt wird. Ein solcher Antrag wird sinnvollerweise bereits mit der Bestellungsanzeige gestellt, also dann, wenn sich Rechtsanwälte als Verteidiger bei Gericht melden. Auch Beschuldigte selbst können diesen Antrag stellen, wenn sie auf den ihnen zustehenden Verteidiger verzichten möchten. Sinnvoller ist es jedoch, solche Eingaben ans Gericht durch Rechtsanwälte vornehmen zu lassen, damit alle Aspekte berücksichtigt sind.
Für die Geschädigtenvertretung empfiehlt sich deshalb, Anträge auf Akteneinsicht gleichzeitig mit einer stichhaltigen Begründung zu versehen, warum diese Einsichtnahme unerlässlich ist. Ein solches Vorgehen kann zur beschleunigten Akteneinsicht führen, weil eine zeitaufwendige Prüfung und Interessensabwägung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht einfacher und kürzer werden.
Auch hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2005 ausführlich Stellung bezogen.
Wer als Geschädigter selbst um Akteneinsicht bittet, sollte dies ebenfalls berücksichtigen und gleichzeitig daran denken, dass ihm – anders als Rechtsanwälten – eine papiergestützte Akte nicht zugeschickt wird. Er muss sie im Gericht einsehen und kann dort, falls Bedarf besteht, Kopien anfertigen. Wird ein Rechtsanwalt mit der Aktenanforderung beauftragt, haben Geschädigte wie Beschuldigte die Gelegenheit, sofort relevante Ermittlungsergebnis mit dem notwendigen Fachwissen beurteilen zu lassen.