Mitunter ist die Überraschung groß: Ein Bußgeldbescheid oder gar ein Strafbefehl kommen per Einschreiben ins Haus. Oft sind sich die Betroffenen sich dieser Verstöße nicht einmal bewusst. Und selbst bei Straftaten, die außerhalb der Straßenverkehrsordnung und des Straßenverkehrsgesetzes liegen, rechnen viele Betroffene nicht damit, dass sie ein Strafbefehl erwarten könnte. Um so wichtiger ist es, die Vorwürfe, die zum Erlass des Bußgeldbescheides oder des Strafbefehls geführt haben, genau zu überprüfen. Dafür hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, Einblick in die Akten zu nehmen.
Darüber hinaus haben Sie das Recht auf Akteneinsicht, wenn Sie Opfer einer Straftat geworden sind. Sie und Ihr rechtlicher Beistand können sich dann als Nebenkläger und Nebenklägervertreter bei Gericht melden. Ebenso steht Sachverständigen und Gutachtern Akteneinsicht zu. Auch dieser Personenkreis hat ein berechtigtes Interesse, Details über die zur Last gelegte Straftat zu erfahren. Nur mit diesem Wissen können Nebenkläger und ihre Vertreter angemessen argumentieren und Gutachter und Sachverständige technische Hintergründe, den Tathergang oder die Persönlichkeit des Beschuldigten hinterleuchten.
In den §§ 147 und 406e StPO ist jedoch auch festgelegt, dass unter gewissen Umständen die Akteneinsicht ganz oder teilweise versagt werden kann. So können Beweisstücke und Zeugenaussagen ausgenommen werden, um weitere Ermittlungen nicht zu gefährden oder bestimmte Personen zu schützen. Im vorbereitenden Verfahren und nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens entscheidet darüber die Staatsanwaltschaft, während eines Verfahrens der Vorsitzende Richter.
Verweigert die Staatsanwaltschaft die Einsicht in die Ermittlungs- oder Strafakten, besteht die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Auch der Abschluss des Ermittlungsverfahrens kann Anlass dafür sein, dass entgegen der früheren Entscheidung zur Verweigerung letztendlich doch eine Einsichtnahme gewährt wird.
Eine generelle Ausnahme bilden Vernehmungsprotokolle der Beschuldigten und Niederschriften über richterliche Untersuchungshandlungen, bei denen die Anwesenheit eines Rechtsanwalts gestattet werden muss. Sie dürfen jederzeit von einem zu einem späteren Zeitpunkt bestellten Verteidiger eingesehen werden.
Strafverfahren – Möglichkeit der Akteneinsicht
In welcher Form die Akteneinsicht von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht erlaubt wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Der Umstand, ob die Akte elektronisch oder noch in Papierform geführt wird, ist eines dieser Kriterien. Auch macht es einen Unterschied, ob sich die Beschuldigten selbst informieren möchten oder ihre Rechtsvertretung um Akteneinsicht bittet.
Wenn Sie als Beschuldigter – noch – ohne Verteidiger Akteneinsicht nehmen wollen, können Sie dies nur bei Gericht tun. Eine Terminvereinbarung ist sinnvoll, da die Akten nur unter Aufsicht besichtigt werden dürfen. Dies gilt sowohl für elektronische Akten als auch für die Papierform. Auf Antrag können Kopien von nicht elektronisch geführten Akten gefertigt werden, hier fällt eine Gebühr an, die von Ihnen bei Gericht zu bezahlen ist.
Für Rechtsanwälte ist es weitaus einfacher, eine Ermittlungs- oder Strafakte einzusehen. Wird über das Verfahren bereits eine elektronische Akte geführt, erfolgt in der Regel der Zugang und die Akteneinsicht über ein entsprechendes Portal für Prozessvertreter. Herkömmliche Papierakten werden auf Antrag für einige Tage in die Rechtsanwaltskanzlei übersandt. Das verschafft ausreichend Zeit, sich alle relevanten Unterlagen zu kopieren, um sie anschließend mit den Beschuldigten zu besprechen.
Ein weiterer unschlagbarer Vorteil der Akteneinsicht über den Rechtsanwalt ist dessen fachliche Kompetenz. Er weiß auch handschriftliche Aktennotizen und Randbemerkungen rechtlich einzuordnen und kann entscheiden, welche Seiten relevant sind und welche unnötiger Weise die Kopierkosten die Höhe treiben werden. Nach erfolgter Akteneinsicht verbleibt in der Regel zeitlicher Spielraum, um mit dem Beschuldigten Tathergang, Zeugenaussagen und Stellungnahme zu besprechen und eine Verteidigungsstrategie aufzubauen.
Strafverfahren nehmen immer häufiger internationale Ausmaße ab. Bereits die Ermittlungsbehörden setzen sich deshalb mit ausländischen Behörden in Verbindung und bitten sie um Rechtshilfe. Nach wie vor sind diese Verfahren meist zeitaufwendiger und verflochtener. Je mehr Stellen involviert sind, desto länger werden die einzelnen Schritte und das Zusammenfügen zu einem überschaubaren Komplex dauern.
Ähnliches gilt auch für die Akteneinsicht. Muss nur in einem Land Einblick in Unterlagen genommen werden, ist das Procedere noch nicht allzu zeitraubend, wenngleich es langsamer vonstattengeht, als dies vielleicht in Deutschland der Fall ist. Laufen aber Ermittlungen in unterschiedlichen Ländern, müssen womöglich mehrere Gesuche gestellt werden. Nicht alle Behörden arbeiten nach dem deutschen Standard, es kann daher oft mehr Zeit vergehen, bis die Akte übersendet wird oder bestimmte Akteninhalte wie Zeugenaussagen vorliegen.
Zumindest EU-weit weichen die Vorgaben für die Akteneinsicht nur wenig von denen in Deutschland ab. Akteneinsicht ist in den meisten Fällen möglich. Erleichtert und beschleunigt wird sie, wenn elektronische Akten vorliegen. Sie können von Rechtsanwälten über das Europäische Justizportal eingesehen werden. Gleichzeitig bietet das Portal seinen Nutzern einen kompakten Überblick darüber, wie die Regelungen in den einzelnen Ländern sind.
Ein zeitlicher Mehraufwand ist jedoch auch bei der relativ schnellen und unkomplizierten E-Akte einzurechnen. Schließlich werden die Akten in der der jeweiligen Landessprache geführt. Falls Sie oder Ihr Anwalt dieser Sprache nicht mächtig sind, müssen Schriftstücke erst den Umweg über kompetente Übersetzer gehen.
Für die Akteneinsicht fallen eigene Kosten an. Dies sind zum einen die Kosten, die das Gericht dafür verlangt. Die Gebührenordnung für Rechtsanwälte sieht ebenfalls eine Grundgebühr, Kopierkosten, Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer vor. Alternativ kann eine individuelle Honorarvereinbarung getroffen werden, wenn Sie die Kosten für die Akteneinsicht selber tragen wollen oder müssen.
Haben Sie als Beschuldigter eine entsprechende Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, erstattet diese in der Regel die anfallenden Gerichtskosten und Gebühren im Rahmen der Gerichtskostenordnung und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, kurz RVG.
Nehmen Sie jetzt direkt Kontakt zu uns auf.
© 2024 ROTWANG LAW